... sprechen davon, dass es für die oben genannte Theorie keinerlei Beweise gibt. Zwar stimmen sie zu, dass die von den Einwanderern mitgebrachten Tänze später auch in Nordamerika zu finden waren, so z.B. die Polka, der Rheinländer oder der Walzer, betonen aber, dass sich daraus nicht der Line Dance entwickelte. Sie bevorzugen eine andere Version, die zumindest zum Teil belegbar ist.
Der Ursprung des Line Dance liegt ihrer Meinung nach in den amerikanischen Diskotheken der 1950er und 1960er Jahre. Dort wurden Jazz, Swing und Rock ’n' Roll Ausdruck eines neuen Lebensgefühls und man ging vielfach dazu über, einzeln aber doch innerhalb einer Gruppe in Reihen zu tanzen, allerdings nicht zu Countrymusic, sondern vielmehr zu den o.g. Musikrichtungen. Seit 1952 verbreitete u.a. auch die amerikanische TV-Sendung American Bandstand wöchentlich die neuesten Tänze unter der Bezeichnung Line Dance. In den nächsten Jahrzehnten wurde diese Art des Tanzens in den USA immer beliebter, hauptsächlich auch in den sogenannten Discotheken. So wurde z.B. einer der ältesten, uns bekannten Line Dances, der Electric Slide, zu einem Pop-Song für die Eröffnung einer Discothek in New York (Vamp) im Jahre 1976 choreographiert, nicht zu Countrymusik und nicht für eine Country Bar oder einen Western Saloon!
Erst der Film „Urban Cowboy“ von 1980 (mit John Travolta in der Hauptrolle) brachte den Line Dance und die Countrymusic zusammen. Dies nutzten geschäftstüchtige Manager der Countrymusik-Szene geschickt aus. Mit Westernkleidung und Line Dance zu Countrymusic schufen sie einen neuen Trend, um ihre Musik auch einem jüngeren Publikum verkaufen zu können. Dieser Trend ebbte mit der Zeit wieder etwas ab, begann aber im Jahr 1992 erneut, als für den weltweiten „Country-Pop“-Hit „Achy Breaky Heart“ von Billy Ray Cyrus ein Line Dance choreographiert wurde. Line Dance zu Countrymusik ist also somit keine Tradition im eigentlichen Sinne, sondern vielmehr geschicktes Marketing aus den 1980er Jahren, um Countrymusik durch den schon aus Disco-Swing-Zeiten populären „Line Dance“ aufzupeppen.